McKenzie Wark – Reverse Cowgirl

McKenzie Wark - Reverse Cowgirl

„Fick mich, bis ich nicht mehr existiere.“

Im Herzen von McKenzie Warks ‚Reverse Cowgirl‘ (aus dem Englischen von Johanna Davids) liegt eine Geschichte des Fleischwerdens, der Versuch, etwas von innen an die Haut zu pressen, eine von innen nach außen getragene Subjektivität. Es ist die Geschichte einer Nicht-Existenz, der Suche nach einem spürbaren Selbst, etwas, das als ‚Ich‘ bezeichnet werden kann und das sich entscheidet zu sagen: „Ich bin trans.

McKenzie Warks ‚Reverse Cowgirl‘ wird als „Memoiren einer Nichtexistenz“ beschrieben, als eine „Autoethnografie der Undurchsichtigkeit des Selbst“. Für die eigene Identität keine Sprache, keine Worte haben, das, was man will, nicht benennen können – es kommt dem Überhaupt-nicht-Existieren gleich. Was ihr das Spiel mit den Geschlechterrollen ermöglichen wird, sind Disko, Glam – und David Bowie.

Wark zeichnet ein Portrait von Sydney der 70er bis 90er Jahre, später wird sie wie ihr großes Vorbild David Bowie nach New York gehen. Ihr Leben in Sydney bestreitet sie mit den Schwulen, den Kommunisten, den Gedichte schreibenden, den Delinquenten. Wark versucht es mit schwul, straight, als ein von Männerhand erschaffenes femme Objekt, doch all diese Schubladen werden ihr nicht gerecht. Ihre Geschichte ist eine des Gewollt-werden und des sich Verfügbar-machen, weil sie als das, was sie sein will, nicht gewollt wird: „Also, die Sache mit den Frauen ist die, dass ich immer sie sein wollte. Mit Männern fühlte ich mich femme, mir kam es vor, als wäre ein Teil von mir sowieso in irgendeiner Weise eine abwegige Art von Krüppel-Mädchen. Als die Person, die gefickt wird, fühle ich mich als ein Mädchen. Die jahrelange Lektüre schwuler und queerer Theorie hat versucht, diese Auffassung beiseitezuschieben, aber ich fühle es immer noch so.

Mode, Glam und Disko, Drogen, Sydney, Sex, die Suche nach einer Utopie: Vignettenhaft schreibt McKenzie Wark über die verschiedensten Themen und webt dabei ein Netz aus Versatzstücken, ohne dabei selbst die Gestalt des Netzes erahnen zu können. Es wird gefickt, die Körpersäfte fließen, Ecstasy-Pillen werden eingeworfen, es wird getanzt und diskutiert. In dieses Netz webt Wark Einschübe, Zitate aus der queeren und der marxistischen Theorie, von verschiedensten Schriftsteller*innen. Diese Zitate sind der Versuch, eine Sprache für die eigene Nicht-Existenz zu finden, so wie auch die Umdeutung des Arachne-Mythos, die zur Strafe für ihre Webkunst von der Göttin Minerva in eine Spinne verwandelt wird. Doch vielleicht war es keine Strafe, vielleicht wollte sie verwandelt werden und wurde zu etwas Interessanterem, vielleicht auch zu dem, was sie eigentlich schon immer war.

Der Text beschreibt in mehrerlei Hinsicht eine Transition. Eine Transition des Geschlechts, eine Transition von der Provinz in die Großstadt, aber auch eine Transition der Zeit und des Lebens in den Tod. Denn mitten in Warks Erzählung bricht die AIDS Epidemie ein, unter deren Opfern auch Freunde von ihr sind. Wark schreibt von der überwältigenden Trauer, aber vom Wandel der Szene von einer schwulen in eine queere Subkultur: „Es war in den späten Achtzigern, eine Ära, wo an den Rändern von Sydneys Schwulenkultur eine Art queerer Kultur zu entstehen begann. So viele schwule Männer starben, die Dykes kamen und hielten die Dinge am Laufen.

Reverse Cowgirl‘ wird oft als ein Text der Grenzüberschreitungen verstanden und wahrgenommen (auch die des guten Geschmacks). Das stimmt aber nur insofern, als dass Wark wahrhaftig über Sex(ualität) und Gender schreibt, eine Wahrhaftigkeit, die an das Werk des französischen Schriftstellers Guillaume Dustan erinnert, auf den sich Wark im Text auch bezieht. Queerness nicht von Sexualität loszulösen, läuft immer Gefahr, ein vermeintlich liberales Publikum zu verschrecken. Doch es ist die Verweigerung dieser Trennung, welche dem Text seine subversive Strahlkraft verleiht.

Wahrhaftig, subversiv und radikal – so schreibt McKenzie Wark in ‚Reverse Cowgirl‘ gegen Normen und festgefahrene Narrative an.

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