Lesbisch? Dann sollte man Rubinroter Dschungel (Im Original: Rubyfruit Jungle) von Rita Mae Brown lesen. Zugegeben, die Aussage ist ein bisschen plakativ. Trotzdem, sie beschreibt den Status, den dieser Klassiker der lesbischen Literatur genießt, sehr treffend. Das ist kein Wunder: denn auch wenn der Roman bereits 1973 erschienen ist, sind viele seiner Themen noch immer höchstaktuell.
Rubinroter Dschungel ist eine Coming-of-Age Geschichte, die stark der Biografie Rita Mae Browns entspricht. Als Tochter einer unverheirateten Frau wurde sie von deren Cousine adoptiert und wuchs zuerst in Pennsylvania und später in Florida auf. Sie studierte Film und Politikwissenschaften und war lange Zeit als Aktivistin in der Civil Rights Bewegung unterwegs, aber auch in der Frauen- und Schwulenbewegung. Letztere hat sie schwer enttäuscht. Probleme lesbischer Frauen wurden in beiden Bewegungen ignoriert. Aber auch von der Furies Collective, einem Kollektiv lesbischer Feministinnen, das sie mitbegründet hatte, wurde sie bald ausgeschlossen. Mae wusste überall anzuecken.
Ähnlich verhält es sich mit Molly, der Protagonistin von Rubinroter Dschungel. Auch sie wächst bei der Familie ihrer abwesenden Mutter auf und lässt sich von nichts und niemanden etwas vorschreiben. Jungs, die ihr das Leben schwer machen, werden dazu überlistet, die schnell eingesammelten Ausscheidungen unschuldiger Häschen zu verschlingen. Dieser eher derbe Ton zieht sich durch den kompletten Text. Aber Rubinroter Dschungel will auch kein Roman großer Worte sein. Hier stehen Ideen an erster Stelle.
Schon früh ist Molly klar, dass sie ihre White Trash Wurzeln hinter sich lassen muss, wenn sie ihre Ziele erreichen will. Denken darf sie zwar wie ihre Adoptivfamilie, aber ganz bestimmt nicht so reden wie diese. Das wussten Molly und auch Rita Mae Brown lange bevor Didier Eribon und Èdouard Louis diesen Diskurs mit ihren Werken plötzlich salonfähig gemacht haben. Molly weigert sich, jegliche Zuschreibungen anzunehmen, die man ihr als Mädchen aufdrängen will. Weiblicher soll sie sein, kein Tomboy, der sich für nichts entschuldigt und in allem Recht hat. Denn für ihre Adoptivmutter liegt Mollys Wert in dem potenziellen Mann, der ihr als Frau Sicherheit in dieser Welt geben und damit den natürlichen Lauf der Dinge bestätigen soll.
Trotzdem schafft es Molly ein Stipendium zu erhalten und in New York als einzige Frau Film zu studieren. Diese Zeit ist von Widrigkeiten und Benachteiligung seitens ihrer sexistischen Kommilitonen und Professoren geprägt ist. Auch im liberalen New York findet Molly nicht den erhofften Anschluss in der lesbischen Szene. Sie will sich nicht entscheiden müssen, ob sie Butch oder Femme ist, sie will sich nicht von älteren Frauen aushalten lassen. Und sie will nicht dafür dafür entschuldigen, dass sie auch mit Männern geschlafen hat, um herausrauszufinden, was ihr gefällt. Molly will sich keinen Kategorien anschließen. Koste es, was es solle, sie will nur sie selbst sein.
Rubinroter Dschungel bleibt in seiner Themenvielfalt oft an der Oberfläche verhaftet und ist in einigen seiner Aussagen sicherlich auch längst überholt. Der Roman ist jedoch schmissig und kurzweilig und strahlt mit seiner Protagonistin eine Radikalität aus, die sich auch heute durch ihren unbeugsamen Willen behauptet.