„Warum ausgerechnet Papaya? Die Papaya ist sinnlich, zweigeschlechtlich (ja, es gibt die Papaya tatsächlich als menschlich gezüchtete Zwitter-Frucht!) und vieldeutig. So wird sie Leitfigur und Sinnstifter:in einer neuen sexuellen Spielfreiheit, die den reinen terminus technicus durch den terminus ludens für alle Dinge unterhalb der Gürtellinie bereichern soll.“
In ‚333 saftige Papayas: Ein unvollständiges Kompendium der dicken Dinger‘ schreiben und illustrieren Flore de Crombrugghe und Rasa Weber gegen „die Sprachlosigkeit angesichts unserer Geschlechtsteile“ an. Denn noch immer überwiegen die Gefühle von Scham und Ekel „trotz aller queerfeministischen Errungenschaften“ – vor allem, was die als ‚weiblich‘ verstandenen Geschlechtsteile betrifft – und noch immer sind die Begriffe, die uns zur Verfügung stehen, dem binären Verständnis von Geschlecht verhaftet. Es wird also höchste Zeit, dieser Einfallslosigkeit mit einer „Auswahl an juicy, non-binären, ordinären, provokativen und sinnlichen Begriffen für den Alltagsgebrauch unserer großen und kleinen, dicken Dinger“ entgegenzutreten.
‚333 saftige Papayas‘ kommt in einem sehr eleganten Coffee-Table-Look daher (und trust and believe: dieses Buch hat wie jedes Buch aus dem März Verlag einen unglaublich sexy Look) und betitelt sich selbst als „hochunwissenschaftliches“ Kompendium. Und ja, das Buch lädt dazu ein, es immer wieder wie auch die beste*n Liebhaber*innen, die nur so vor Lust, Sinnlichkeit und Humor strotzen, zur Hand zu nehmen und in seinen Texten und Illustrationen zu verweilen (für die Texte zeichnet sich Rasa Weber verantwortlich, während Flore de Crombrugghe die Illustrationen der insgesamt 333 saftigen Papayas zubereitet hat) – doch es lohnt sich, dieses Buch von Anfang bis Ende oder von A wie Affenkopf bis z wie Zungenbrecher zu lesen.
Denn alle im Buch versammelten Begriffe – diese reichen von Früchten, Gemüse und Pflanzen über Dialekt/Slang, Euphemismen und Naturphänomenen bis hin zu Personifikationen, Tieren und Nonsense-Begriffen – können als Name für ein Geschlechtsteil herhalten. Die Texte erzählen jedoch mehr als das. Sie erzählen die Geschichten von Personen wie Venus Xgtravaganza und Mary Reid, davon wie unser Wissen und unsere Vorstellungen von Sexualität und Geschlechtlichkeit mit den Verbrechen der Nationalsozialist*innen verknüpft ist, wie ‚dis/abled bodies‘ nicht nur ihre körperliche Autonomie, sondern auch ihre eigene Sexualität abgesprochen wird, oder wie Schwarze Körper übersexualisiert werden – vor allem aber davon, dass die Natur schon immer vielfältiger war als unsere binären Vorstellungen von männlich und weiblich es vermuten lassen. ‚333 saftige Papayas‘ erzählt deswegen auch eine vielleicht unvollständige, vor allem aber diverse Geschichte, von Geschlechtlichkeit und Sexualität.
Es ist erfrischend, wie frei von Scham de Crombrugghe und Weber sich der Thematik nähern. Wo andere pathologisieren oder das Tabu sehen, sind die beiden stets neugierig, offen und verspielt. Und deswegen ist ‚333 saftige Papayas‘ nicht nur verdammt gute Unterhaltung, sondern stillt auch einen ungeahnten (Wissens)durst so gut wie es sonst – natürlich – nur eine reife, saftige und süße Papapya vermag.