Senthuran Varatharajah – Rot (Hunger)

Senthuran Varatharajah - Rot (Hunger)

„Wir öffnen einen Körper wie ein Buch.“

Rot (Hunger) von Senthuran Varatharaja erzählt von A und B, die sich 2001 über eine Kontaktanzeige kennenlernen und sich in As Haus in Rotenburg treffen, wo A wie „vereinbart B tötet, zerteilt und Teile von ihm isst.“ Dies ist eine Liebesgeschichte. Sie erzählt von der (Un)möglichkeit der Liebe, der Sprache und der Grenzen.

Dies ist die Geschichte einer Trennung: Die Geschichte von A und B ist auch die des Erzählers Senthuran, dessen biographische Stationen denen des Autors gleichen, und einer deutsch-kurdischen Frau. Beide sind sie Geflüchtete, die „aus L/ändern kamen, die es auf keiner Karte gibt.“, Tamil Eelam und Kurdistan. Beide wissen sie, dass die Grenzen, über die wir gehen, auch durch uns gehen. Beide sprechen sie Sprachen, die in ihren Geburtsländern verboten sind.

Varatharajah bedient sich einer assoziativen, lyrischen Sprache. Wörter, Sätze, Nomen und Verse können gebogen werden, sie können brechen wie Beine. Und so folgt die Form dem Inhalt: Varatharajah bricht seine Wörter auseinander und lässt sie in die nächste Zeile übergehen. Nicht immer lassen sich die Bilder, Ideen und Gedanken, die hier miteinander verknüpft werden, ganz nachvollziehen, zumindest nicht bei der ersten Lektüre. Doch auch darin liegt eine Stärke des Textes. Es ist der Versucht einer Sprache, „die trägt, was wir nicht ertragen können. Die weiß: dass ein Körper kei/ne Grenze ist; die versteht, wie er nachgibt.“

Rot (Hunger) erzählt von dem Verlangen, die Grenzen zwischen zwei Körpern zu überwinden, von der Einsamkeit der Hände und der Einsamkeit des Mundes. Davon, dass wir lieben, gerade weil der Abstand der größtmögliche ist, davon die „Untersc/heidung aufzuheben; zwischen der völligen Hingebung, der einzig möglichen Ve/rnichtung, der Vernichtung des Entgegengesetzten in der Vereinigung.“

 Diese Vereinigung gleicht einer religiösen Erfahrung. Sowohl in der Vorstellung durch das Empfangen einer Hostie den Leib Jesu in sich aufzunehmen, als auch in den zahlreichen biblischen Referenzen und der lyrischen Sprache des Textes. Rot (Hunger) ist ein modernes Hohelied der Liebe.

Rot (Hunger) von Senthuran Varatharajah ist im besten Sinne radikale Literatur. Es wird begeistern, vor den Kopf stoßen, berühren, abstoßen, doch mit Sicherheit wird es niemanden ungerührt lassen.

Facebook
Twitter
LinkedIn

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert