Jamie O’Neill – At Swim, Two Boys

„Grey morning dulled the bay. Banks of clouds, Howth just one more bank, rolled to sea, where other Howths grumbled to greet them. Swollen spumless tide. Heads that bobbed like floating gulls and gulls that floating bobbed like heads. Two heads. At swim, two boys.“

Welche Worte können diesem Monumentalwerk gerecht werden? 10 Jahre hat Jamie O’Neill an seinem Buch geschrieben und ihm ist gelungen, was sonst keiner geschafft hat: At Swim, Two Boys ist zugleich ein Klassiker der irischen und der schwulen Literatur. Schon der Titel spielt auf At Swim-Two Birds an, dem irischen Klassiker von Flann O’Brian. Und auch dem Roman des 20. Jahrhunderts schlechthin, Ulysses von James Joyce, huldigt O’Neill: sei es durch den immer wieder einbrechenden Gedankenstrom oder durch die Konstellation der Figuren, O’Neill nutzt seine Vorgänger um eine Geschichte über Irland, Freiheit und die Liebe zweier Jungen zu erzählen. Glücklicherweise wird er seinen Vorbildern mehr als gerecht.

Irland, 1915: Die beiden 16-jährigen Freunde Jim Mack und Doyler versprechen einander, sich in einem Jahr an Ostern an der Forty-Foot Badestelle zu treffen. Von dort wollen sie zu den Muglins, einer kleinen Insel, die nur aus ein paar Steinen besteht, schwimmen und die irische Flagge hissen. Es wird der Tag sein, an dem der Osteraufstand der Iren gegen die Kolonialherrschaft der Engländer beginnt. Während die beiden unweigerlich in die politischen Unruhen gezogen werden, die ihr Land für immer verändern werden, beginnt zwischen den beiden eine zarte Liebesbeziehung, etwas wofür ihnen jedoch die Worte, die Sprache fehlt. Es ist MacMurrough, „an unspeakable of the Oscar Wilde sort“, der ihnen diese Sprache geben wird. MacMurrough hat wie Wilde aufgrund seiner Homosexualität eine Haftstrafe in einem Arbeitslager verbringen müssen und hat nun bei seiner Tante Eveline MacMurrough Zuflucht gefunden, einer irischen Nationalistin, die den Aufstand aktiv vorantreibt.

MacMurrough ist ein gebrochener Mann. Stolz sein kann er nur auf seinen Selbsthass. Im Gefängnis hat er den Gelehrten und Homosexuellen Scrotes kennengelernt, der dort infolge der unmenschlichen Bedingungen gestorben ist. Doch auch im Tod ist Scrotes für MacMurrough ein Mentor, jemand, der ihn in seinen einsamen Stunden heimsucht und ihm zeigt, wie er womöglich nicht nur sich selbst, sondern auch Jim und Doyler retten kann: „Help these boys build a nation their own. Ransack the histories for clues to their past. Plunder the literatures for words they can speak. And should you encounter an ancient tribe whose customs, however dimly, cast light on their hearts, tell them that tale; and you shall name the unspeakable names of your kind and in that naming, in each such telling, they will falter a step to the light.“

O’Neill stellt das Streben nach Freiheit der Iren und der Schwulenbewegung nebeneinander. Jim und Doyler kennen ihre Sprache nicht, den Iren wurde ihre gälische Muttersprache geraubt. Erst wenn die beiden Jungen ihre Sprache und ihre Geschichte kennen, können auch sie sich erheben. Und so kann es auf die immer wiederkehrenden Fragen „What are we?“ und „What is a country?“ nur eine Antwort geben.

Jamie O’Neill hat mit At Swim, Two Boys einen berührenden, aber oft auch zutiefst amüsanten Roman geschrieben, mit dem er sich für immer in die Literaturgeschichte eingeschrieben hat. Dass er seitdem, das Buch wurde am 11. September 2001 veröffentlicht, keinen weiteren Roman geschrieben hat, ist also verwunderlich, aber auch nur konsequent. In den zehn Jahren des Schreibens scheint O’Neill alles, was ihn bewegt, in diesem Text ausgedrückt zu haben. Und so ist es kaum verwunderlich, in wie viele unterschiedliche Richtungen er blickt – die irische Geschichte, Oscar Wilde, Roger Casement, Sparta. Richtungen, die man erforschen will, um zurückzukehren zu At Swim, Two Boys und etwas Neues zu entdecken. Was bleibt ist Doylers Frage: „What cheer, eh?“ Und als Leser wird man wohl in diesem unmöglich einfallsreichen Text auf keiner der 643 Seiten die gleiche Antwort geben können.

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