Alexander Graeff – Queer

Alexander Graeff - Queer

In seinem Essay Queer, erschienen in der Edition Poeticon beim Verlagshaus Berlin, schlägt Alexander Graeff die Brücke zwischen Sprache, Herkunft, Identität und Lyrik. Auf knapp 40 Seiten beschreibt er eine Poetik der Grenzüberschreitung und der Verwirrungen – der Herkunft, der Sexualität und natürlich der Sprache.

Alexander Graeff ist Schriftsteller, Philosoph, Dozent, Kurator und Literaturvermittler. Der Weg dahin aus der engen, pfälzischen Welt „mit ihrem hinterwäldlerischen Personal darin“ war ein langer. Graeff selbt beschreibt sich im Essay als „bildungsbürgerlicher Spätzünder“. Kein Wunder: In der Heimat charakterisiert man die literarischen Versuche, den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen als krankhaft, im Berliner Literaturbetrieb der frühen 00er Jahre hingegen geht es „mehr ums entlastende Spiel mit der Sprache als um Verbindungen zwischen kritischer Wahrnehmung, Welt, Sprache und dem, was sich hieraus dann als gesellschaftliche Realität zeigt.“ Auch an seiner Sexualität stößt man sich: Als zu unbestimmt, zu unangepasst wird sein Begehren wahrgenommen. Auch in dem vermeintlich liberalen Umfeld des Literaturbetriebs fühlt man sich nur im Bereich der Monosexualitäten wohl.

Schwul oder doch hetero? Graeff beschreibt ein Gefühl der Verwirrungen, einer Unbestimmtheit, bereits als Jugendlichem fehlt ihm die Sprache, um sich Ausdruck zu verleihen: „‘Queer‘ war nicht in der Welt.“ Dieses Nicht-Vorhandensein in der Sprache und damit auch in der Welt kommt einer Ohnmacht gleich – aber auch der Ermächtigung. Denn das Unbestimmte ist das, was Queerness auszeichnet. Oder wie Graeff schreibt: „Ohne Verwirrung gäbe es mich nicht.“

Von hier macht Graeff den Sprung zur Poesie und zur Sprache. Die Poesie ermöglicht es ihm, seine Herkunft und das Milieu des Bildungsbürgertums zu vereinen. Aus den Sprachen der Vergangenheit und der Gegenwart entstehen ein queerer Remix für die Zukunft. Auch weil die Poesie das Medium schlechthin ist, um mit der Sprache zu spielen und sie umzuformen. Ein „tentakuläres Fadenspiel an Sprachen, Körpern, Ichs und Dus – umgeben von der Zumutung der Realitäten und Ideale.“

Dieses Schreiben gegen die Normen versteht Graeff aber auch als politische Poesie, als ein Anschreiben gegen die Strukturen, welche Menschen aus der Sprache und aus der Welt zu tilgen versuchen, als ein Schreiben ohne Zentrum, das sich den Traditionen der queeren Lyrik verpflichten oder sie ablehnen, sie aktualisieren oder herausfordern kann.

In seinem Essay Queer beschreibt Alexander Graeff ein Schreiben und damit ein Leben im scheinbaren Dazwischen, zwischen den klar umrissenen Identitäten und Normen, ein Dazwischen, das die Grenzüberschreitung ermöglicht und damit auch die Selbstermächtigung. Queer bietet einen guten Überblick über den aktuellen Diskurs rund um Sprache und Queerness, bietet aber auch genauso viele neue Denkanstöße, denen ich nur zu gern noch länger gefolgt wäre.

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