Alexander Chee – Edinburgh

Alexander Chee - Edinburgh

Transformation. Wie Feuer, das zerstört, aber auch etwas Neues erschaffen kann. Wie Luft, die wir einatmen und Musik, die wir ausatmen. Wie Wasser, das alles verschlingt und aus Knochen Korallen macht. Wie die Arche Noah, die wir noch heute im Kirchenschiff finden können.

Mit 12 Jahren wird Fee von Big Eric, dem Leiter seines Chors, sexuell missbraucht. Er bleibt still, der Vogel in seiner Brust verrät ihn nicht. Auch als Peter, der Junge, den Fee liebt, das gleiche Schicksal droht, schweigt er. Die Schuld übermannt ihn und so tritt an die Stelle von Fee sein Geheimnis, es ersetzt ihn.

Edinburgh, der Debütroman von Alexander Chee, erzählt von einem lebenslangen Trauma, das auch viele Jahre später seine Opfer noch immer zerstören kann – und es auch tut. Fee tanzt um seinen Wunsch, früh zu sterben, traut sich jedoch nicht den entscheidenden Schritt zu machen. Es ist Peter, der ihn vollziehen wird.

Trauma zieht sich durch die Generationen. Denn Fees Großvater musste als Kind mitansehen, wie seine sechs Schwestern von japanischen Soldaten entführt werden. Sie werden nie wieder heimkehren. Und so ist es auch er, der Fee von dem kitsune erzählt, der Fuchsdämonin, die in der Gestalt einer Frau einen Mann liebt. Als ihr Geliebter stirbt, atmet sie eine Kugel aus Feuer aus, die beide verschlingt. Denn Liebe kann wie das Feuer zerstören. Und auch in Fees schwarzen Haaren finden sich einzelne rote Strähnen. Auch er ist ein Nachfahre der Dämonin.

Edinburgh ist ein Fiebertraum. Menschen sterben, die Ereignisse spitzen sich ins Unerträgliche zu. Bis Fee letzten Endes 20 Jahre nach seinem Missbrauch Lehrer wird und einem Schüler gegenübersteht, der wie Peter aussieht. Und doch gleicht Alexander Chees Sprache einer Liebkosung. Edinburgh entfesselt eine Atmosphäre, die sich am ehesten mit Michael Cuestas Film L.I.E – Long Island Expressway vergleichen ließe (ein Film, der es leider nie nach Deutschland geschafft hat).

Der Roman ist autobiographisch geprägt, aber keine Autobiografie. In seiner (unbedingt zu empfehlenden!) Essaysammlung How To Write An Autobiografical Novel schreibt Alexander Chee ausführlich über das komplexe Verhältnis zwischen Fiktion und Realität. Aber auch über seine Herkunft und Identität (Half Korean, all queer.), Sexualität, das Schreiben sowie über das Züchten von Rosen und das Legen von Tarotkarten.

Bereits 2001 erschienen, genießt Edinburgh im amerikanischen Sprachraum – zurecht – bereits den Status eines modernen Klassikers. In diesem Jahr sind deutsche Übersetzungen von Edinburgh und How To Write An Autobiografical Novel endlich im Albino Verlag erschienen.

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