Kevin Junk – RE: re: AW: Liebe

Kevin Junk - RE: re: AW: Liebe

„deine Zunge / in einem anderen Mund / macht mich hart / vor Angst / nach deiner Hand greifen / sie dahin führen / wo Salbei ruht / Widerstand / wo Nerven enden / brichst ihn sanft“

Kevin Junk ist der Autor von Fromme Wölfe und einer der Herausgeber der queeren Lyrikanthologie Parabolis Virtualis (beides erschienen im Querverlag). In der edition zwanzig im Verlagshaus Berlin ist nun sein Lyrikdebüt RE: re: AW: Liebe erschienen. Die Gedichte erzählen von Liebe, Begehren und Sexualität in der digitalen Landschaft.

In diesen Fragmenten einer Sprache der digitalen Liebe und des digitalen Begehrens bestimmen ihre Haptik die Formen ihrer Sprache. Die Bluejeans, deren Stoff die Beine kratzt und prophetisch auf die Berührung durch eine Hand in der Zukunft verweist, Faszien, die einem Feed gleichen, Gedichte in der Form eines Grindr-Chats – auch wenn sich der Schauplatz des Balzens, Schäkerns und Zärtelns auf Tinder, Grindr. und Co. verlegt hat, bedient sich Junk einer Sprache jenseits des binären Codes bestehend aus Einsen und Nullen. Auch in dieser Hinsicht ist Junks Lyrik natürlich queer.

Junk erzählt in seinen Gedichten von (Candy)-Crushes, der Verheißung der Nacht und dem romantischen Potential eines gemeinsamen Tags auf der Couch. Die digitale Welt ist ein Ort der Entfremdung, ermöglicht aber ebenso neue Formen des Zusammenfindens, Begegnungen, deren Dauer nichts über ihre Intensität aussagen muss. Unabhängig, ob der Schauplatz analog oder digital ist, viele der Gedichte sind, von dem Bedürfnis getrieben, Distanzen zu überbrücken und jenseits von binären Herrschaftsstrukturen zueinander zu finden. Entsprechend sind auch die Männlichkeitsbilder nicht eindeutig, sie bewegen sich irgendwo zwischen Leder, Goldkettchen, Brusthaar, Nagellack und Flanell.

Ob Analsex oder das Rektum, Junk scheut sich auch nicht davor, tabuisierte Bilder in seinen Gedichten heraufzubeschwören. Es handelt sich um mehr als die Thematisierung einer eigentlich sehr banalen (weil alltäglichen!) Thematik, hier wird das Potential einer queeren Sprache und einer freien Sexualität im Sinne einer Revolution verhandelt. Mir scheint, dass hier nicht nur Kevin Junk spricht, sondern auch der Philosoph und Queer-Theoretiker Paul B. Preciado.

Die in der edition zwanzig erscheinenden Bände sollen Lust machen auf das Entdecken neuer poetischer Sprachen. Kevin Junks RE: re: AW: Liebe erfüllt dieses Versprechen. Und auch da, wo ich auf Widerstand treffe, weil sich die Bilder jenseits meines Erfahrungshorizonts bewegen, üben sie sanften Druck aus, brechen ihn und evozieren den Geruch von Salbei.

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