Derek Jarman – Modern Nature

Derek Jarman - Modern Nature

Auch über 20 Jahre nach Derek Jarmans Tod ist Prospect Cottage eine Art Pilgerstätte. Mal mit einer Ausgabe von Derek Jarmans Modern Nature in den Händen, mal ohne tauchen immer wieder in Tränen aufgelöste Männer um die 50 vor der kleinen Hütte am Kiesstrand von Dungeness mit Ausblick auf ein Atomkraftwerk auf. Was diese Männer eint, ist, dass sie die Überlebenden ihrer selbst gewählten Familie sind.

1986 ist das Jahr, in dem Derek Jarman entdeckt, dass er HIV-positiv ist. Er entscheidet sich rund um Prospect Cottage, einer der unwirtlichsten Gegenden Englands, einen Garten anzulegen. Die metaphorische Kraft der Pflanzen, von denen einige allen Widrigkeiten zum Trotz gedeihen, spiegelt sich in Jarmans Krankheit. In seinen Tagebüchern Modern Nature, welche die Zeit von Januar 1989 bis September 1990 abdecken, beschreibt er die zyklische Erneuerung der Pflanzen, entgegengesetzt zu seinem eigenen körperlichen Verfall. Der Garten ist aber auch ein Ort der Reflexion und so erstrecken sich seine Gedanken rhizomartig über seine Kindheit und sein Schaffen als Künstler – welches nachhaltig vom sogenannten Clause 28 geprägt war, einem Gesetz, welches die vorsätzliche Förderung von Homosexualität verbot – aber auch über Umweltschutz und die Homogenisierung einer zu sicheren Kulturlandschaf.

Jarmans Leben war geprägt vom Kampf gegen konservative Autoritäten, einen Kampf, den er stets auszufechten wusste. Seine Infektion war eine weitere Identität neben seiner Homosexualität, für die er sich rechtfertigen musste. Wenig überraschend war er einer der ersten britischen Persönlichkeiten, die sich in der Öffentlichkeit zu ihrer Krankheit bekannten. Der Garten ist eine Zuflucht, eine Möglichkeit, sich zu isolieren und sich auf seine Kunst – und dazu zählt auch das Gärtnern – zu konzentrieren. Dazwischen fallen jedoch immer wieder Namen, Namen, die er wie die wiederkehrenden Pflanzen in seinem Garten aufzählt. Es sind die Namen derjenigen Freunde, die im Laufe der beschriebenen 21 Monate gestorben sind.

Neben seinen Gärten besucht Jarman aber auch Hampstead Heath, einen Park, in dem Männer cruisen, für ein bisschen Geselligkeit zusammenkommen. Wie Prospect Cottage ist es ein Garten Eden, nur, dass Gott vergessen hat, von diesem Teil des Paradieses zu berichten.

Modern Nature ist voller Wut, aber auch Zärtlichkeit. Eine Reflexion über das Gärtnern, Kunst, Sexualität und Krankheit. Trotz des immensen Erfolgs von Nature Writing wurde Modern Nature nie ins Deutsche übersetzt. Das ist schade – denn Jarman trennt den Körper nicht von der Natur und ist damit vielen weit voraus.

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1 Kommentar zu „Derek Jarman – Modern Nature“

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