Nina Bouraoui – All Men Want to Know

Nina Bouraoui - All Men Want to Know

„I write the spaces and the silences, the unseen and unheard. I write the paths not taken, the forgotten roads. I hold fast to Others, those whose past flow into mine, like rivers spilling into the sea. I give voice to ghosts to stop them from haunting me. I write because of my mother who clasped her books to her breasts like children.”

Als Tochter einer Französin und eines Algeriers verbringt Nina Bouraoui die ersten 14 Jahre ihres Lebens in Algerien, bis ihre Mutter von einer Gruppe Männer brutal attackiert wird und die Familie nach Frankreich zieht. Ihr Leben lang wird Bouraoui zwischen ihren Identitäten hin und hergerissen sein, das Gefühl haben, ihre Mutter oder ihren Vater zu verraten. Sie ist Algerierin, Französin – und eine lesbische Frau.

Nina Bouraoui schreibt in ihrem autofiktionalen Roman All Men Want to Know (in englischer Übersetzung von Aneesa Abbas Higgins) über Identität, Kolonialismus und weibliche Sexualität. Die Kapitel sind kurz, oft nicht länger als eine Seite, und haben alle die gleichen Überschriften (‚Remembering‘, ‚Becoming‘, ‚Knowing‘ und schließlich auch ‚Being‘). Es sind Momentaufnahmen, die Bourauoi ihren Leser*innen beschreibt, und die in Form von sequentiellem Erzählen Einblick in ihre verschiedenen Lebensabschnitte geben. Als Leser*in folgt man keiner Handlung, sondern stolpert verschiedene halb im Nebel liegende Pfade entlang. Pfade, die alle Teil eines Weges sind und Richtung Zukunft führen.

Nur wenige Monate nach der Flucht ist Nina Bourauoi das, was man gemeinhin eine Französin nennt. Sie hat sich ihrer Umgebung angepasst: “I won’t let myself be held back by unhappiness. I’m fourteen years old and I’m erasing my past.” Der Wunsch zu schreiben und somit auch der Wunsch, sich der eigenen Vergangenheit zu stellen, geht mit der Erkundung ihrer eigenen Sexualität in der Mitte der 80er Jahre einher. Viele der Frauen, denen sie im Kat begegnet, eine Szenebar für Lesben, sind wie auch sie voller Hass auf sich selbst. Sie trinken, nehmen Drogen, sind unfähig eine Beziehung einzugehen.

Schreiben ist für Bouraoui der Wunsch zu verstehen und verstanden zu werden. Sie will die unausgesprochenen Traumata und Geheimnisse ihrer Familie ergründen, die Geister, die sie verfolgen, zum Schweigen bringen. Schreiben ist aber auch Imagination, das Erkunden neuer und fremder Welten. Bouraoui legt frei und konstruiert. Sie ist Archäologin und Architektin.

All Men Want to Know ist sinnlich, einfühlsam und ein auch spannender Text von gerade einmal 175 Seiten. Oft droht der Text allerdings von Szenen verschlungen zu werden, die derart lose mit seinen Themen und Motiven in Verbindung stehen, dass sie mühelos gestrichen werden könnten. Trotzdem habe ich All Men Want to Know gerne und gewinnbringend gelesen. Oder um es mit den Worten von Aristoteles zu sagen: „Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“

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