Julian Mars – Was wir schon immer sein wollten

Julian Mars - Was wir schon immer sein wollten

Was wir schon immer sein wollten von Julian Mars ist nach Jetzt sind wir jung (2015) und Lass uns von hier verschwinden (2018) der Abschluss der sogenannten Felix-Trilogie. Ein letztes Mal begleiten Leser*innen Felix und seine Wahlfamilie, bestehend aus Emilie, Gabriel, Hugo, Anna, Martin und Elias, auf ihrem schwierigen Weg ins Erwachsensein.

Drei Jahre sind seit dem Ende von Lass uns von hier verschwinden vergangen. Felix ist mittlerweile 30 und steht vor der wichtigsten Entscheidung seines Lebens – oder dem größten Fehler seines Lebens. Je nachdem, wen man fragt. Seine ehemals beste Freundin Emilie ist zumindest von letzterem überzeugt. Doch wie Ordnung in das eigene Leben bringen, wenn sich stets alles ändert – Hochzeiten, Todesfälle und zerbrochene Freundschaften inklusive?

Doch Entscheidungen zu treffen, ist mit 30 mindestens genauso kompliziert wie auch mit 10: „Jetzt, Felix. Jetzt gerade drehst du wieder an deinem Würfel.“ Schon damals hat Felix vor jeder einzelnen Drehung an seinem Zauberwürfel, weil er alles richtig machen wollte, so lange überlegt, bis er es schließlich hat ganz sein lassen. Mit 30 allerdings hat man nicht mehr den Luxus, alles kaputt zu denken.

Wie in den beiden Vorgängerromanen erzählt Felix retrospektiv seine eigene Geschichte. Was zuvor noch eine Art Therapie war, verschrieben von seiner leicht übergriffigen Schwester Anna, ist hier mehr oder weniger ein Automatismus. Auch weil Felix mit der Frage konfrontiert wird, was er beruflich mit seinem Leben machen will, hätte ich mir gewünscht, dass Felix‘ Texte noch einmal in irgendeiner Form thematisiert werden, und sei es nur in einem Nebensatz. Allerdings bin ich ebenso dankbar, dass Julian Mars es seinen Leser*innen erspart, noch einen Text über einen angehenden Schriftsteller aus Berlin lesen zu müssen, der das eigene Schreiben reflektiert.

Auch Was wir schon immer sein sollten reflektiert die Frage von queeren Lebensrealitäten und Beziehungsmodellen. Wobei der Wunsch nach Ordnung von Felix, also Einheit, natürlich im Widerspruch zur Definition von Queerness steht. Aber: keine Queerness ohne Widerspruch. Eine zentrale Einheit im Abschlussband der Trilogie bilden Felix und sein Freund Martin. Aber bedeutet eine monogame Beziehung auch gleich glücklich zu sein? Ist es das, wovon alle sprechen, wenn sie sagen, dass sie ‚angekommen‘ sind? Und auch Akzeptanz sich selbst und der eigenen Queerness gegenüber ist kein einmaliges Ereignis, sondern eine stetige Entwicklung, die nicht immer einfach und nicht immer schön ist. Auch deswegen hat Felix, trotz seiner nicht immer sympathischen Charakterzüge, eine gewisse Vorbildfunktion für jüngere Leser*innen.

Ohne erhobenen Zeigefinger schreibt Julian Mars über die unterschiedlichen Bedürfnisse – sexuelle, wie auch emotionale – queerer Menschen. Dabei wird auch – trotz des wie immer rotzfrechen Tons – eine politische Dimension offensichtlich: dass auch queere Menschen keine homogene Gruppe sind mit unterschiedlichen Vorstellungen darüber, was queer zu sein bedeutet. Ohne zu viel vom Ende des Romans vorwegzunehmen: Julian Mars zeigt ganz selbstverständlich die unterschiedlichsten Wahlfamilienmodelle. Trotzdem bedeutet das „verheiratet, mit Kind“ für die meisten der Figuren. Das ist meines Erachtens nicht ganz konsequent zu Ende erzählt. Allerdings haben auch Serien wie Sex and the City ein ähnliches Ende gewählt und knapp 20 Jahre später wünscht man sich, dass es bei diesem Ende geblieben wäre.

Was wir schon immer sein wollten ist wie immer eine gelungene Mischung aus Coming-of-Age, Unterhaltung und Queerness. Und trotz meiner kleineren Einwände hat Julian Mars ein Ende geschrieben, das man sich als Leser*in so für die Figuren wünscht. Immerhin hat man sie über viele Jahre hinweg begleitet, konnte sich mit ihnen und ihren Problemen identifizieren, hat mit ihnen gelacht und mitgelitten und kann sie nun wie gute Freund*innen loslassen, in dem Wissen, dass sie glücklich bis ans Ende ihrer queeren Tage leben werden.

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