Im September 1991 wird Hervé Guibert ins Krankenhaus eingeliefert. Zytomegalievirus heißt die Diagnose, eine Herpesvariante, die für die meisten Menschen harmlos ist, für Menschen mit geschwächter Immunabwehr allerdings gefährlich werden kann. Guibert droht sein Augenlicht zu verlieren. 22 Tage verbringt er im Krankenhaus, die er in seinem Krankenhaustagebuch protokolliert.
Zum 30. Mal jährt sich Guiberts Tod in diesem Jahr. Der August Verlag hat dies zum Anlass genommen, um Dem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat neu aufzulegen und Zytomegalievirus: Krankenhaustagebuch zum ersten Mal in deutscher Sprach herauszugeben. Für die Übersetzung ist abermals Hinrich Schmidt-Henkel verantwortlich (der auch ein Nachwort beigesteuert hat).
Als Leser*in erwartet man vermutlich von einem Tagebuch so etwas wie Wahrhaftigkeit. Doch auch hier spielt Hervé Guibert von Anfang an sein Spiel mit der Form (das Tagebuch ist von Anfang an auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts angelegt) und mit der Fiktion. Einer Krankenschwester sagt er, „Ich verspreche Ihnen, ich schreibe kein Mitleidsprotokoll Nr. 2, wir können ganz unbefangen miteinander sein.“, nur um ihr folgendes Gespräch in seinem Tagebuch festzuhalten. Auch verweist er auf seinen Roman Blinde, beschreibt diesen als eine Art Vorzeichen für die beschriebenen Ereignisse.
Auch im Krankenhaustagebuch findet sich das klassische Motiv der AIDS Literatur vom Schreiben als Überlebenstaktik. Guibert schreibt, um die Folter erträglicher zu machen. Denn die Intensivstation ist eine Hölle und zugleich der Ort, den es zum Sterben braucht. Die 22 Tage verbringt er zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Nur wenige Monate später, und von der Krankheit fast erblindet, unternimmt Guibert einen Selbstmordversuch, zwei Wochen später stirbt er.
Auf gerade einmal 56 Seiten vermag Guibert mit den einfachsten Mitteln die Langeweile, das Hoffen und Bangen und die Verzweiflung einer Krankheit im Angesicht des Todes zu schildern, eine Lektüre, die sich sowohl für treue Leser*innen von Guibert eignet als auch für solche, die bisher noch nichts von ihm gelesen haben. Mit Zytomegalievirus: Krankenhaustagebuch hat Hervé Guibert bewiesen, dass er ein Meister der kleinen Form ist.