Guram Matskhonashvili – Gldani

Guram Matskhonashvili - Gldani

Etwas ist faul im Staate Gldani. Dieses Stadtexperiment, Ende der 60er Jahre entstanden, wurde im Schoß von Tbilissi empfangen, kann der Mutterstadt aber nicht geben, was sie will, es bringt nur graue Vulgarität hervor. Hier in Gldani funktioniert nur eine der zwei Hauptdimensionen, „der Raum besteht weiter und entwickelt sich weiter, die Zeit aber ist stehen geblieben. Gladni ist Endstation: Alle aussteigen, bitte!“

Hier zieht die junge Lana kurz nach dem georgischen Bürgerkrieg mit ihrem Neugeborenen Amiko hin. Die misstrauischen Nachbarn bekommen sie so gut wie nie zu sehen, nachts empfängt sie zahlreiche männliche Besucher. Entgegen aller Gerüchte verkauft Lana ihren Körper aber nicht für Geld, einem Sukkubus gleich dringt sie in die Träume der Bewohner von Gldani ein, eine Fähigkeit, welche sie einem seltsamen Mikrochip verdankt.

Trotz aller Gerüchte – oder vielleicht auch gerade deswegen – nimmt man Amiko seinen Erfolg nicht übel. Gemeinsam mit dem Land unternimmt er seine ersten Schritte, besucht die Schule und den örtlichen Sportverein für georgischen Ringkampf. Seine Gegner zwingt er allesamt auf die Matte. Er ist das, was man einen Helden nennen könnte, jemanden, der es schafft, aus dieser grauen Hölle zu entkommen. Wäre da nicht Bradi: „Bradi gleicht einer schönen Jungfrau, die den Bräutigam erwartet.“

Doch das altgeorgische Amiran-Epos, auf welches hier verwiesen wird, hat Braut und Bräutigam vorgesehen, nicht Bräutigam und Bräutigam. Einen schwulen Helden – das kann es hier in Gldani nicht geben. Der Code enthält einen Fehler: Error, Error, Error! Denn Gldani ist auch ein Videospiel, die sexuelle Deviation eines einzigen Spielers droht alles durcheinander zu bringen. Das System steht kurz davor, als solches enttarnt zu werden.

Gldani (aus dem Georgischen von Tamar Kotrikadze) ist der Debütroman von Guram Matskhonashvili, der bisher vor allem als Autor und Regisseur von Theaterstücken in Erscheinung getreten ist. Der Text vereint moderne und klassische Mythen, Verhörprotokolle und zum Schluss richtet sich der Autor in einer ein ganzes Kapitel übergreifenden Fußnote an das werte Publikum, um die zahlreichen Fäden zu verknüpfen. Die Frage, ob eine Handlung aufgeht, die von ihrem Autor kommentiert werden muss, muss erlaubt sein. Natürlich ist auch das Teil des Spiels, in dieser artifiziellen Welt ohne Ausweg kann nur eine Stimme aus dem Off Gottgleich den Weg weisen. Das ist alles ein bisschen viel. Und doch: Muss ich noch ein Buch lesen, in dem mir alles seltsam vertraut vorkommt, und das sich nicht traut, mir auch mal auf die Füße zu treten? Lieber gebe ich mich dem Chaos hin, einer durchaus überraschenden Lektüre mit einem Zuviel an Ideen.

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