Gib ihnen, wovon sie träumen von Eli Levén (aus dem Schwedischen von Ursula Giger) ist Trauerlied und Heiligengeschichte zugleich. Direkt zu Beginn: die Anrufung des Heiligen Sebastian, dem Schutzpatron gegen die Pest – und dem inoffiziellen Schutzpatron der Schwulen. Nur wenige prägen die Ikonographie der queeren Kultur so wie der Heilige Sebastian, der wie kein anderer eine Ästhetik des Leidens portraitiert mit seinem nackten und gefesselten Körper, der von Pfeilen penetriert ist, und in dessen Blick man doch so etwas wie Sinnlichkeit und damit auch Widerstand erkennt.
Eli Levén erzählt in seinem Roman von einer anderen Art von Heiligen. Sebastian ist für seine Anhänger ein Heiliger: „Du gabst ihnen, was sie sich erträumten. In deinen Augen, in deinem Geruch verfestigte sich die Geschichte ihrer Sehnsucht. Du kniest vor ihnen nieder, und die Belohnung floss in dich hinein, ein warmes, klebriges Dankeschön, ein feuchter Handschlag, eine stillschweigende Anerkennung deiner Göttlichkeit und dass du, allein indem du lebst, ein Wunderwerk vollbrachtest.“
Den Begegnungen in den Kirchen der Lust, den Darkrooms und den Cruising-Areas, steht die Liebe zu Andreas gegenüber. Sie changiert zwischen vollkommener Unbeschwertheit, dem Gefühl, dass Sebastian nicht mehr rauchen muss, um zu atmen, oder sich volllaufen lassen muss, um die scharfen Kanten der Realität auszuhalten, und dem Ringen um Akzeptanz, dem kompletten Exzess.
Gib ihnen, wovon sie träumen ist ein Roman der Gegensätze und Grenzüberschreitungen: Tag und Nacht, Realität und Traum, Mann und Frau, Sebastian und Elli. Sebastian mit seinem androgynen Körper und seinen Frauenkleidern gleicht „einem Raketenflug auf dem Weg zur Hölle, verloren in einer Art Triumph.“ Doch Elli, Elli ist Triumph. Die Nacht bringt Elli zutage, sie verschluckt Sebastian. „Die Träume werfen sich wie Wellen über ihn und spülen ihn kahl und arm, er erwacht entwurzelt, im Angesicht des Verlusts, den es bedeutet, Sebastian zu sein.“ Und so wie auch Jesus seinen Jüngern gesagt hat, dass sie sich selbst gegenüber sterben müssen, muss auch Sebastian diesen Weg gehen, um sich selbst zu finden.
Gib ihnen, wovon sie träumen ist eine moderne queere Heilsgeschichte: Auf gerade einmal 137 Seiten erzählt Eli Levén eine Geschichte über Sehnsucht, Identität und Akzeptanz, deren Sprache sich mühelos zwischen Camp, überbordendem Kitsch, nüchternem Realismus und fiebriger Lyrik bewegt.
2014 wurde der Roman von Ester Martin Bergsmark unter dem Titel Something must break verfilmt, Autor Eli Levén hat das Drehbuch mitgeschrieben.