Dennis Cooper – Closer

Dennis Cooper - Closer

Als Closer (Ran, aus dem Amerikanischen von Frank Heibert) von Dennis Cooper 1989 veröffentlicht wurde, hatte sich George Miles bereits das Leben genommen. Cooper lernte Miles, der unter einem ‚chemischen Ungleichgewicht‘ und schweren psychischen Problemen litt, als Jugendlicher kennen. Er war sein Freund, kurzzeitiger Liebhaber und seine Muse. Miles wurde das Herz eines bereits geplanten Romanzyklus, dem George-Miles-Zyklus: Closer, Frisk, Try, Guide und Period. Als Cooper Mitte der 80er Jahre nach Amsterdam zog, verloren sich beide aus den Augen, Cooper erfuhr erst nach Fertigstellung des vierten Bandes vom Tod seines Freundes. Der Zyklus ist Denkmal und Requiem zugleich.

Closer erzählt von einer Gruppe Jugendlicher, die alle von der Schönheit ihres Mitschülers George Miles fasziniert sind. Stets von Drogen betäubt und benebelt wird er zu einem Ideal der Passivität. Für die anderen ist George eine leere Projektionsfläche, die ihnen ähnelt und durch die sie sich Antworten auf ihre Fragen erhoffen: „Sure, he’s a new place to check my appearance in. Maybe our slight resemblance has something to say for itself. But I’m sure if I get to close, do the explorer bit, I’ll find the same old stuff. Blood, guts, bones, not much else.”

Kritiker werfen Closer – und den anderen Texten des Zyklus – gerne vor, die Verknüpfung zwischen Sex und Gewalt verherrlichend darzustellen. Dabei wird aber gut und gerne übersehen, dass Cooper nicht daran interessiert ist, Pornographie zu schreiben. Figuren, die sich dem widersetzen, aus dem Text Pornographie machen wollen, werden kurzerhand außer Gefecht gesetzt.

Ebenso wenig ist Cooper an so etwas wie ‚gay identity‘ interessiert. Seine Texte sind bevölkert von schwulen Jugendlichen, Außenseitern, Punks, Slackern, Queers und den Männern, die sie ausnutzen und missbrauchen. Diese Figuren sind aber keine Vertreter einer schwulen oder queeren Community, denn auch wenn die abgebildete Welt der Realität gleicht – wir befinden uns an der Westküste der USA in der Nähe von Disney World irgendwann in den 80ern – ist sie keine Abbildung eben jener. Denn das Buch ist gleichzeitig seltsam zeitlos, AIDS spielt keine Rolle, ebenso wenig Homophobie. Auch in diesem Sinne ist Closer mehr ‚post gay‘ als ein Großteil der zeitgenössischen Literatur, die so beschrieben wird. Coopers Realität gleicht einer Hölle, in der die Verzweiflung, Apathie und Illusionslosigkeit einer ganzen Generation kondensiert wurde.

Closer und seine Figuren suchen ihren Sinn in den Lücken, Spalten und Leerstellen. Es ist das, was Roland Barthes als die Wollust des Textes beschrieben hat. Auch der Text ist ein Körper, der auseinandergenommen wird, im Dazwischen liegt, was nicht ausgesprochen werden kann: “He had a fondness for empty things normally filled up with people. Abandoned houses, parking lot structures on Sunday nights, holograms, telephone booths…”

Dennis Cooper selbst hat Closer als den Körper des George-Miles-Zyklus beschrieben. In den folgenden Bänden wird dieser Körper auseinandergenommen, zusammengesetzt, wieder auseinandergenommen, um am Ende als lebender Toter fortzubestehen. Abseits dieser formal spannenden Aspekte ist Closer – für mich – aber vor allem ein grandioser Text über Einsamkeit und die Unmöglichkeit einem anderen Menschen nahe zu sein.

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