„The faggots consider it their sacred pleasure to engage in indiscriminate promiscuous sexuality. No faggot, regardless of age, race or physical appearance, should ever be horny. Horniness makes the faggots uneasy and nasty and distracts them from the revolutions. Sexuality, like all the necessities of life, must be free and easily available.”
‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions’ von Larry Mitchell (1939-2012) ist eine Mischung aus Utopie, Märchen (was auch Ned Astas Illustrationen wiederspiegeln, die oft mit denen des britischen Illustratos Aubrey Beardsley verglichen werden), Manifest und einer Menge Cum. Das Buch erzählt die Geschichte der Faggots, Queens, Faeries, queer Men und Women who love Women, die in dem Land Ramrod leben, bekannt für seine paranoiden Oberhäupter und seine überbordende Gewalt. Hier warten die Faggots und ihre Freund*innen auf die kommende Revolution: „The strong women told the faggots that there are two important things to remember about the coming revolutions. The first is that we will get our asses kicked. The second is that we will win.”
Der Kultklassiker der queeren Literatur beruht auf den Erfahrungen, die Larry Mitchell in den 60er und 70er Jahren in unterschiedlichen Kommunen (von denen er mehrere auch mit gründete) gesammelt hat, allen voran Lavender Hill, ein Ort, an dem Feminismus und Sozialismus gelebt wurden – und auch heute noch gelebt werden. Mitchell war Vertreter einer radikalen Politik und in diesem Sinne muss auch ‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions‘ verstanden werden. Der Text ist eine Kampfansage an den Kapitalismus, das Patriarchat und jegliche Kriegstreiberei. Nur wenige zeigen wie hier Mitchell, dass alle Opfer des kapitalistischen Patriarchats sind, der nicht daran interessiert ist, einzelne Gruppen gegeneinander auszuspielen. Er schreibt genauso zärtlich über die Faggots wie über die angepassten schwulen Männer (im Text die ‚queer men‘).
Um das Buch 1977 veröffentlichen zu können, war Larry Mitchell gezwungen, einen eigenen Verlag zu gründen – die Calamus Press, benannt nach Walt Whitmans ‚Leaves of Grass‘. 1981 gründete er gemeinsam mit Felice Picano, einem Mitglied der berühmt berüchtigen literarischen Gruppe ‚The Violet Quill‘ und Autor von schwulen Klassikern wie ‚The Lure‘ und ‚Like People in History‘, die Gay Press of New York. 1982, nur ein Jahr später, veröffentlichte Mitchell ‚The Terminal Bar‘. Der Roman gilt als erster Text, der sich mit der AIDS Epidemie auseinandersetzt. Einen Text wie ‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions‘ zu veröffentlichen, setzte seinerseit also ein gewisses Maß an Kreativität voraus, denn den schwulen Verlagen fehlte das Geld und die heterosexuellen Mainstream Verlage waren schlichtweg nicht interessiert. Oder wie Tal Milovina für den Observer schreibt: „Not yet co-opted by the forces of capital and empire, gay liberation did not sell easily.“
Als das Buch 2016 von Pocketed Books und 2019 von Nightboat Books neu aufgelegt wurde, geschah dies, nachdem es seit Jahrzehnten ohne Neuauflage in Form von Kopien und PDS zwischen Leser*innen die Runde machte und so den Status eines Kultklassikers gewann. Selbst die Rezeptionsgeschichte von ‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions‘ ist Ausdruck von Anarchie. Ins Deutsche übersetzt wurde das Buch übrigens nie – infrage für eine deutschsprachige Veröffentlichung, Übersetzung, etc. eines solchen Textes kämen vermutlich nur wenige Verlage.
Für viele Rezensent*innen stellte sich mit der Neuauflage die Frage, wie aktuell das Buch über 40 Jahre nach seiner Veröffentlichung noch ist, insbesondere nach der Wahl von Tr*mp zum Präsidenten der Vereinigten Staaten und der ansteigenden Gewalt gegenüber LGBTQ+ Personen. Das kommt sicherlich auch darauf an, aus welcher Perspektive man argumentiert. Denn von Gewalt betroffen waren die im Text dargestellten Gruppen seit jeher, die schwule und auch die queere Emanzipationsbewegung hat nur wenig für sie erreicht. Den Ansatz, den Text als eine Art Anleitung für die kommende Revolution zu lesen, halte ich ebenso für wenig hilfreich – verrät doch schon der Titel, worauf der Text sich konzentriert.
In lose miteinander in Verbindung stehendenden Szenen verfolgen wir Figuren Heavenly Blue, Loose Tomato, Lilac, Pinetree, Moonbeam und Hollyhock beim Cruisen, Spielen, sich Verkleiden, Tratsch austauschen, singen und tanzen. Dazwischen: Aphorismen, Ratschläge für Solidarität und Überlebensstrategien: „We gotta keep each other alive any way we can ‚cause nobody else is goin‘ do it.” Dieses Buch will keine Anleitung für die kommende Revolution sein, es ist vielmehr eine liebe volle Umarmung für all jene, die an den Grenzen der Gesellschaft leben, ein Angebot, wie sie bis dahin überleben können.
Ursprünglich konzipierte Larry Mitchell ‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions’ als Kinderbuch und auch wenn diese Idee sich letzten Endes in etwas Anderes entwickelt hat, behält sie doch das Beste dieser Textform bei. Denn ‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions‘ spendet Trost und auch eine heutzutage womöglich naiv wirkende Hoffnung, vor allem ermöglicht es das Buch aber, eine bessere, eine mögliche Welt zu imaginieren.
Und imaginiert haben die Leser*innen von ‚The Faggots & Their Friends Between Revolutions‘. Indem sie das Buch Freund*innen in die Hand gedrückt haben, mit denen sie die Weisheit der starken Frauen und der Faggots teilen wollten, und indem das Buch immer wieder in kleinen, laienhaften Lesungen inszeniert haben. 2023 haben Regisseur Ted Huffman und Komponist Philip Venables den Text in Form des Musiktheaters auf die Bühne gebracht. In einem Interview beschreiben die beiden ihre Inszenierung wie auch das Buch als eine Umarmung für das Publikum. Auch auf der Bühne bleibt das Verspielte, Archaische und das Queere des Buches lebendig: Klassische und moderne Instrumente, Folkmusik und Bossa-Nova verschmelzen zu einer Art barocken Broadway-Oper mit Rave-Elementen, in der Darsteller*innen Instrumente tauschen oder singen, auch wenn das nicht ihr eigentliches Talent ist.
Und genau diese Inszenierung ist Teil der diesjährigen Ruhrtriennale, dem Festival der Künste. Am 17.08 und 18.08. (um jeweils 16:00 Uhr) und am 19.08. und 20.08. (um jeweils 20:00 Uhr) wird das Stück in der Jahrhunderthalle in Bochum aufgeführt. Ich bin mir sicher, es wird ein Spaß, wie ihn auch Larry Mitchells Faggots und deren Freund*innen haben – ein Spaß, den sich diese Faggot nicht entgehen lassen wird.
Dieser Text ist eine bezahlte Kooperation mit der Ruhrtriennale. Alle Informationen zu der Inszenierung findet ihr auf der offiziellen Produktionsseite.