Truman Capote – Andere Stimmen, andere Räume

Truman Capote - Andere Räume, andere Stimmen

Zeit des Umbruchs: Joel Knox ist 13 Jahre alt, als seine Mutter stirbt und er von seiner Tante zu seinem ihm unbekannten Vater geschickt wird. Seine Reise führt ihn von New Orleans nach Alabama. Es ist der Eintritt in eine Welt des Verfalls und der Zerstörung, in der von seinem Vater jede Spur fehlt.

In dem alten Herrenhaus auf einer ehemaligen Plantage findet er lediglich seinen älteren Cousin Randolph und die neue Frau seines Vaters Amy vor. Sie leben abgeschieden in einer seltsamen Parallelwelt, bevölkert von Ausgestoßenen. Hier sind Illusion und Wahrheit kaum voneinander zu unterscheiden. Auch weil Joel ein gekonnter Fabulierer von Lügengeschichten ist.

Andere Stimmen, andere Räume, der Debütroman (natürlich autobiografisch geprägt, wie so viele andere Romane hier auch) von Truman Capote lässt sich dem Southern Gothic Genre zuordnen. Das Makabre, Groteske und Unheimliche brechen immer wieder in den Alltag ein – Sexualität und Erwachsenwerden sind gleichbedeutend mit Verfall und Gewalt: Der Hals von Zoo, der schwarzen Köchin, ziert eine Narbe. Sie wird von der Angst beherrscht, dass ihr Mann aus dem Gefängnis entlassen wird. Und dann wäre da noch Idabel. Im Gegensatz zu ihrer Zwillingsschwester missachtet sie immer wieder die Geschlechterkonventionen und zieht damit den Zorn ihrer Familie und des gesamten Städtchens auf sich. Sie ist es aber auch, die Joel, der selbst schwächlich und feminin ist, zeigt, wie wichtig es ist, konsequent den eigenen Weg zu gehen.

Der Roman lebt von seiner fiebrigen Atmosphäre, es passiert wenig. Ein Großteil der Handlung ist in der Vergangenheit verortet. Es sind die anderen Charaktere, die Joel ihre Geschichte offenbaren, Geschichten, die sich vor langer Zeit ereignet haben und die sich ihm, der noch an der Schwelle zum Verfall steht, nicht erschließen wollen. Sie sprechen aus anderen Räumen und mit anderen Stimmen zu ihm.

Als der Roman 1948 erschien, hat er einen kleinen Skandal ausgelöst. Das hatte aber herzlich wenig mit dem Inhalt zu tun. Das prüde Amerika konnte die Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen leicht übersehen. Anstoß nahm man ausgerechnet am Cover des Romans – das in der aktuellen Ausgabe des Kein & Aber Verlags in der Neuübersetzung von Heidi Zerning übernommen wurde. Auf diesem schaut der junge Capote verführerisch, ja, beinahe lasziv in die Kamera und fordert dazu auf, das Buch in die Hand zu nehmen. Eine Einladung, die geneigte Leser*innen annehmen sollten.

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