1968 erreicht der Krieg zwischen den verschiedenen Volksgruppen in Nigeria seinen Höhepunkt, dabei verliert die 12-jährige Ijeoma ihren Vater bei einem Bombenangriff. Ihre Mutter ist von der Trauer überwältigt und schickt sie zu einem befreundeten Ehepaar. Hier trifft sie die Waise Amina. Amina ist Hausa, Ijemoa Igbo. Ihre junge Liebe wird Ijeomas Leben bestimmen. Chinelo Okparanta erzählt in ihrem Debütroman Under the Udala Trees zugleich die Coming-of-Age Geschichte eines Mädchens und eines Landes.
„There is no way to tell the story of what happened with Amina without first telling the story of Mama’s sending me off. Likewise, there is no way to tell the story of Mama’s sending me off without also telling of Papa’s refusal to go to the bunker. Without his refusal, the sending away might never have occured, and if the sending away had not occured, then I might never have met Amina.“
In der Tradition mündlichen Erzählens lässt Okparanta Ijeoma ihre Lebensgeschichte selbst erzählen: Es sind kurze Szenen, von denen sie berichtet. Momentaufnahmen wie Dias, die uns nur das Wichtigste zeigen. So fällt es auch überhaupt nicht ins Gewicht, dass auf knapp 300 Seiten ein halbes Leben erzählt wird. Ob vom Krieg oder von der ersten Liebe, Okparanta erzählt die Geschichte Ijeomas subtil aber treffend.
Ijeomas Liebe zu Amina kann nicht ohne Konsequenzen bleiben. Als ihre Mutter von der Beziehung der beiden erfährt, setzt sie alles daran, um Ijeoma auf den rechten Weg zurückzubringen. Denn Homosexualität wird in dem zutiefst religiösen Nigeria nicht nur gesellschaftlich geächtet, Jungen und Mädchen, deren Geheimnis an die Öffentlichkeit gerät, werden getötet, verbrannt oder in den Fluss getrieben und dort so lange gesteinigt, bis sie vor Erschöpfung ertrinken. Während sich Amina dem Druck beugt und schließlich einen Mann heiratet, hinterfragt Ijeoma alles, was man ihr beizubringen versucht. Nach und nach geht sie jede einzelne Bibelpassage durch, die Homosexualität angeblich verdammt (Wir kennen sie wahrscheinlich alle) und interpretiert diese für sich neu. Vielleicht geht es Gott gar nicht darum, dass Männer und Frauen zusammengehören. Wenn die Geschichte von Adam und Eva nur ein Beispiel ist, vielleicht geht es Gott dann viel mehr darum, dass Menschen nicht allein sein sollen.
Dass Ijeoma ihrem Glauben treu bleibt, hat wahrscheinlich auch etwas mit der Biographie von Okapranta zu tun, die selbst in Nigeria geboren wurde und im Alter von zehn Jahren mit ihrer Familie in die USA ausgewandert ist. Dahinter steckt aber auch ein gewisses Kalkül – oder auch ein didaktischer Auftrag. Auch vom „Westen“ ist in diesem Roman sehr wenig zu spüren. Was daran liegen mag, dass in vielen afrikanischen Ländern noch immer der Glaube besteht, dass Homosexualität eine Erfindung des Westens wäre.
Bei Okparanta gibt es kein Gut und kein Böse. Auch Ijeomas Mutter, die davon überzeugt ist, dass eine Frau einen Mann braucht um vollkommen zu sein, stellt sie nicht als Bösewichtin dar. Vielmehr, auch wenn sie sich dessen nicht Bewusst ist, ist sie als alleinerziehende Mutter der Beweis für unnachgiebige weibliche Stärke. Und auch Ijeoma, obwohl sie für eine Zeit ihre Überzeugungen verliert, findet – so viel soll verraten sein – am Ende ihren Weg.
Der Roman endet mit einer Notiz: Seit 2014 steht Homosexualität in Nigeria unter Strafe und wird mit bis zu 14 Jahren Gefängnis geahndet, während es in den nördlichen Gebieten Nigerias weiterhin zu Steinigungen kommt. Under the Udala Trees ist der Versuch, den LGBTQ Bewohnen des Landes eine Stimme und einen Platz in diesem Land zu geben. Und das tut es – mit der Kraft der Fiktionen, die uns mögliche Welten zeigt, und als Beschwörung dieser Welten.