Bekannt ist Audre Lorde vor allem für ihre Essays und ihre Prosa wie Zami: A New Spelling of my Name. Dabei hat sich die selbst definierte black lesbian mother warrior poet lange Zeit als eben genau das definiert: als Dichterin. “The white fathers told us: I think, therefore I am. The black goddess within each of us – the poet – whispers in our dreams: I feel, therefore I can be free.” Auch in ihren Essays spricht Audre Lorde aus ihrer persönlichen Gefühlswelt heraus, doch um sie zu schreiben, musste sie zuerst lernen, die Dichotomie zu überwinden, die Männlichkeit, Rationalität und Prosa auf der einen Seite platziert und Weiblichkeit, Emotionalität und Dichtung auf die andere.
In Sister Outsider sind Audre Lordes wichtigste Schriften versammelt. All ihre Berichte sind davon geprägt, dass sie aus ihrer individuellen Perspektive heraus erzählt. Sie ist schwarz, Lesbe und Mutter. Ihre Texte sind nicht bloße Theorie, sie sind von ihren eigenen Erfahrungen geprägt und es sind die Erfahrungen einer Außenseiterin.
Rassismus, Sexismus, Homophobie und wie sie sich gegenseitig bedingen, das sind die zentralen Themen Audre Lordes. Ein Leben ohne sie gibt es nicht – aber es ist denkbar. Denn Lorde beschäftigt sich immer wieder mit der Frage, wie aus Worten Handlungen werden können. Auch deswegen sind ihre Texte zu einem Manifest geworden.
Ihre Position als Außenseiterin ermöglicht es Lorde, jenseits der gängigen Diskurse zu denken und zu fühlen. Sie weiß, dass Diskriminierung sich nicht allein am Geschlecht festlegen lässt. Sexualität, Herkunft, Klasse, Hautfarbe, der sozioökonomische Hintergrund – diese Ausschlussmechanismen müssen für einen erfolgreichen Feminismus mitgedacht werden. Als eine der ersten intersektionalen Denker*innen war ihr der weiße Mittelklassen-Feminismus ihrer Zeit von Anfang an suspekt: „It is a particular academic arrogance to assume any discussion of feminist theory without examining our many differences, and without a significant input from poor women, Black and Third World Women, and lesbians.“
Differenz ist einer der zentralen Aspekte von Lordes radikalem lesbischen Feminismus, der wenig mit dem heutigen radikalen Feminismus gemeinsam hat. Eine Einladung zu einer lesbischen Konferenz, auf der männliche Teilnehmer ab 10 Jahren nicht willkommen ist, lehnt sie ab. Sie kann und will ihren 14jährigen schwarzen Sohn nicht den Straßen New Yorks überlassen.
Lorde beschäftigt sich aber auch mit Sexismus und Homophobie innerhalb der Bürgerrechtsbewegung und unter Afroamerikanern im Allgemeinen. Denn auch hier ist sie als Lesbe und als Frau eine Außenseiterin, jegliche Form von Differenz wird misstrauisch beäugt. Die Wut der schwarzen Frau, die am untersten Ende der Hierarchie steht, Lorde kann sie verstehen – und sieht in ihr im Gegensatz zum Hass ein potenziell produktives Vehikel für Fortschritt.
Über das Schreiben ihrer Gedichte hat Audre Lorde gesagt, dass sie diese schreiben musste, um zu wissen, was sie fühlt und dadurch zu verstehen. Diese Vorstellung findet sich auch in ihren Texten wieder. An Aktualität eingebüßt haben die Essays nichts – nicht nur was die aktuelle Lage der USA betrifft. Viele ihrer Überlegungen lassen sich auch auf Deutschland übertragen, wo Lorde einige Jahre gelebt und die Gründung der Initiative Schwarze Deutsche (ISD) unterstützt hat.
Auf Schnipsel ihrer Gedankenwelt, auf aus dem Kontext gerissene und inflationär genutzte Zitate von Lorde stößt man immer wieder. Mit diesem Problem musste sie sich bereits zu Lebzeiten herumschlagen. Audre Lordes Texte gehören – in ihrer Gänze – gelesen und sind unbedingt zu empfehlen.