Amy Bloom – Meine Zeit mit Eleanor

Amy Bloom - Meine Zeit mit Eleanor

Erst vor kurzem hat der offen homosexuelle Präsidentschaftskandidat Pete Buttgieg verkündet, dass es rein statistisch bereits einen schwulen Präsidenten gegeben haben muss. Abraham Lincoln wird immer wieder gern als Beispiel genannt, auch der Roman Lincoln in the Bardo hat mit dieser These gespielt. Die Frage, die sich aber eigentlich stellt: Was ist mit den First Ladys? Amy Blooms Roman Meine Zeit mit Eleanor (im Original: White Houses) gibt Antwort darauf.

Die Sterne stehen gut für die Reporterin Lorena „Hicks“ Hickok: Sie berichtet erfolgreich über die skandalträchtige Entführung des Lindbergh Babys, ihre Artikel sind mit ihrem Namen ausgezeichnet und sie muss im Gegensatz zu ihren Kolleginnen nicht über belanglose Hochzeiten schreiben. 1932 beginnt sie dann in einer Reihe von Artikeln über den Präsidentschaftskandidaten Franklin Roosevelt zu berichten, zieht bei seinem Gewinn gleich mit ins Weiße Haus ein – und beginnt eine Affäre mit seiner Frau Eleanor.

In der Literatur gibt es den Begriff Queering the Canon: literarische Figuren, deren Empfinden man als homosexuell kategorisieren könnte, als explizit homosexuell darzustellen. Song of Achilles von Madeline Miller ist ein Beispiel dafür. Was Amy Bloom macht, könnte man entsprechend Queering the History nennen. Es gibt hunderte von Briefe zwischen den beiden Frauen aus dem Nachlass von Lorena Hickok, in denen sie darüber schreiben, was sie alles miteinander anstellen wollen. Trotzdem streitet man sich auch heute noch gerne darüber, ob die Frauen ein Paar oder nur wirklich gute Freundinnen waren.

Sehr unaufgeregt lässt Amy Bloom Lorena Hickok ihre Geschichte erzählen. Von ihrer Kindheit in vollkommener Armut, ihrer Mutter, die sehr früh stirbt, ihrem Vater, der sie schlägt und vergewaltigt – und schließlich von ihrer Liebe zu Eleanor, einer Frau, die für ihre Zeit so liberal ist, dass das FBI eine dicke Akte über die Frau des Präsidenten anlegt. Hicks selbst reist mitunter durch das von der Großen Depression gepeinigte Land und stellt dabei fest, dass es auch unterschiedliche Arten von Armut gibt und dass es einer armen schwarzen Familie immer schlechter geht als einer weißen. Auch fällt ihr der offene Antisemitismus der Zeit immer wieder in den Blick. Ob Lorena Hickok tatsächlich derart empathisch war oder ob man die Welt durch Amy Blooms Augen sehen, die selbst Jüdin ist, ist schwer zu beurteilen.

Was den Roman auszeichnet, ist die Unbeschwertheit, mit der die körperliche Beziehung der beiden selbsterklärten unkonventionellen Schönheiten beschrieben wird, einer Lust, die auch dann noch anhält, als sie beide Frauen in mittleren Jahren sind. Die Beziehung zwischen Hicks und dem Präsidenten ist aber mindestens genauso faszinierend. Sie bewegt sich immer zwischen Bewunderung, Freundschaft und Rivalität, er scheint sogar über die Beziehung der beiden bestens Bescheid zu wissen und geht ganz pragmatisch seinen eigenen Affären nach.

Amy Blooms Roman stellt zwei Frauen seinen Mittelpunkt, deren Leben so ohne die jeweils andere nicht möglich gewesen wäre, denen man stets gerne folgt. Lediglich an der einen oder anderen Stelle wären ein paar historische Details wünschenswert gewesen (Lesbische Salons! Spannend!). Alles in allem ist Meine Zeit mit Eleanor eine wunderbar kurzweilige.

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