2004 mit dem Man Booker Preis ausgezeichnet, lässt sich Alan Hollinghursts The Line of Beauty am Besten in Kontext mit seinem Debüt The Swimming-Pool Library lesen. Denn Nick Guest scheint eine konsequente Weiterentwicklung von William Beckwith zu sein. Auch er ist ein Ästhet, ein Anhänger von Henry James und Hogharths Schönheitslinie, in deren Form – ähnlich einem S oder einer Schlangenbewegung – die Schönheit selbst verborgen liegt. Und wieder beginnt die Handlung im Jahre 1983, in jenem letzten Jahr vor AIDS also. Dieses Mal erstreckt sich die Handlung jedoch weiter, bis in die Jahre 1986 und 1987. Die Jahre in denen Margaret Thatcher regiert und alles Schöne ein Ende finden muss.
Um in Ruhe an seiner Doktorarbeit über Henry James schreiben zu können, zieht Nick in das Haus der Familie seines Freundes Toby. Die Feddens, deren Familienoberhaupt ein MP der konservativen Regierung ist, leben im Exzess. Wahnsinn, schillernde Partys und Macht zeichnen ihr Leben. Nick wird Teil dieser Welt, beginnt hier auch seine ersten Schritte in die schwule Welt. Akzeptieren können die Feddens das nur, weil nicht darüber gesprochen wird. Nicks Naivität ist es, die es einem als Leser ermöglicht, seinen Pakt mit dem Teufel und seine unpolitische Haltung wenn nicht zu entschuldigen, so doch zu verstehen. Seine Liebe zur Welt und zur Schönheit ist eine bedingungslose.
Erst auf den letzten Metern des Romans wird das Thema AIDS konkret und beginnt auch Nicks privilegiertes Leben spürbar zu durchdingen. Doch wer aufmerksam liest, wird das Thema in Symbolen, Andeutungen und verstecken Halbsätzen von Anfang an finden können. Wer also retrospektiv über das Leben eines schwulen Mannes in den 80er Jahren schreibt, kann ab einem gewissen Zeitpunkt das Thema AIDS nicht mehr ignorieren.
The Line of Beauty ist melodisch, trostlos, ausufernd, eine Komödie. Es ist ein Buch über die Politik der 80er Jahre, ohne diese wirklich zu thematisieren. Und daran kann auch der erinnerungswürdige Auftritt von Margaret Thatcher nichts ändern. Es ist ein Buch über die Schönheit und die Frage, ob in ihr nicht mehr als sie selbst liegt. Ein echter Hollinghurst also.