Malone und Sutherland sind Berufsschwuchteln. Ihr Leben beginnt, wenn Patti Jo „Make me believe in you/Show me your love can be true“ zu singen beginnt, wenn sich die verschwitzten Körper in der nach abgestandenen Poppers stinkenden Luft im Rhythmus der Musik bewegen. Hier in der Kirche der Sinne wird dem gehuldigt, was auch die Basis ihrer Demokratie ist: der Schönheit.
Sutherland ist eine schillernde Queen, oft mit Perücke oder in einem ausgefallenen Kostüm anzutreffen, die Malone unter ihre Fittiche nimmt. Denn mit fast 30 ist Malone seiner Zukunft als Anwalt mit Frau und Kind entkommen. Das Zuhälter/Stricher-Gespann ist Symbol für das schwule New York der 1970er. Wie Zugvögel migrieren sie im Sommer von den Badehäusern und dem The Twelth Floor, einer Diskothek im 12. Stock eines alten Fabrikgebäudes, nach Fire Island. Hier gleichen die Partys einer großen, nie enden wollenden Orgie. Die tanzenden Männer sind alle bewundernswert, wunderschön. Es ist das Prinzip ihrer grausamen Demokratie, die Männer aller Stände zusammenbringt. Doch die Sommer auf Fire Island scheinen sich dem Ende zuzuneigen, denn wonach Malone sich wirklich sehnt, ist die Liebe. Aber was ist die Liebe, als ein Blick, ein Moment, ein ästhetisches Feingefühl, eine Idee? Und es gibt kein besseres Heilmittel gegen die Idee einer vollkommenen Liebe, als herauszufinden, dass der Angebetete einen kleinen Schwanz hat.
Andrew Hollerans Dancer from the Dance ist Ausdruck einer Epoche, jener Zeit zwischen Stonewall und dem Ausbruch der AIDS Epidemie. Wie auch Larry Kramer, der in Faggots mit erhobenem Zeigefinger den Hedonismus seiner Zeit gescholten hat, schien auch Holleran klar zu sein, dass der Spaß irgendwann ein Ende haben muss. „The azaleas are in bloom, and everyone is dying of cancer“, heißt es direkt zu Beginn des Romans und so schweben der Tod und ein namenloses Unheil über dem gesamten Text und seinen Figuren.
Auch wenn Gay Liberation keinerlei Erwähnung findet, ist sie doch überall im Roman zu spüren. Es ist eine Zeit, in der Männerbünde, neue Formen des Zusammenlebens und eine radikale Freiheit gelebt werden. Aber wie schon in James Baldwins Giovanni’s Room ist keiner dieser Männer der Freiheit auch gewachsen.
Holleran war Teil der Violet Quill, einer Gruppe schwuler Autoren, zu denen auch Edmund White gehörte. Und so ist Dancer from the Dance auch Ausdruck eines neuen, schwulen Selbstverständnisses, das weder schwule Helden, noch homophobe Bösewichte benötigt. Eingebettet in eine doppelte Fiktion beginnt der Roman mit dem Briefwechsel von zwei Freunden, einer ist dem schwulen New York entkommen, der andere ist ihm treu geblieben. Er hat einen Roman geschrieben, in dessen Zentrum Sutherland und Malone stehen: „A gay novel, darling. About all of us.“ Nicht die glücklichen Schwuchteln interessieren ihn (mit denen hat sich Jesus nicht angefreundet und langweilig sind sie auch noch), sondern die dem Untergang geweihten.
Dancer from the Dance ist bitterböse, empathisch, humorvoll, melancholisch. In der Tradition von Proust und Mann will Holleran kein moralisches Urteil fällen, er will darstellen. Und wir alle wissen: Wer versteht, kann verzeihen.
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