„Lebensgeschichte, Roman, Märchen, Manifest“, so wird Im Park der prächtigen Schwestern von Camila Sosa Villada (aus dem Spanischen von Svenja Becker) beschrieben. Vor allem ist der Text aber eine Geschichte über Wahlfamilien und Widerstand.
Bevor Camila ihren Namen annimmt, lebt sie als Junge in einem kleinen abgelegenen Dorf in Argentinien. Gewalt und Armut prägen ihren Alltag. Der Vater fürchtet, dass aus seinem Sohn eine Schwuchtel wird, doch Camilla begeht eine noch viel schlimmere Sünde: Sie ist eine trans Frau.
Was folgt ist in der LGBTQ Literatur altbekannt: die Flucht vom Land in die Stadt, um ein authentisches Leben zu führen und zu studieren. Das authentische Leben hat einen Preis, in der bürgerlichen Mitte ist es unmöglich. Die Männer sehen in ihr und machen aus ihr eine Prostituierte. Die Autonomie über den eigenen Körper ist begrenzt.
Im Park lernt sie die anderen trans Frauen kennen. An ihrer Spitze steht die Tía Encarna, die Mutter dieser bunt zusammengewürfelten Truppe. „Sie übertrieb alles wie eine Mutter, kontrollierte einen wie eine Mutter, war grausam wie eine Mutter. Sie fühlte sich schnell angegriffen und war leicht eingeschnappt.“ Sie lehrt die Mädchen, sich von den Männern in ihrem Leben zu emanzipieren, zu widerstehen und sich zu verteidigen. Als sie im Park ein ausgesetztes Kind findet, bringt sie ihn ins Leben, entzieht ihm der kalten Erde und dem sicheren Tod. Auch der Glanz in den Augen wird Teil der Wahlfamilie.
trans Frau zu sein, bedeutet von der Gesellschaft an den Rand gedrängt zu werden. Das Leben der Schwestern ist geprägt von Gewalt, Spott und Hohn. Sie sterben früh, durch die Hände der Freier oder auch durch AIDS. Einige von ihnen verwandeln sich bei Vollmond in einen Wolf, andere finden ihre Freiheit letzten Endes in der Metamorphose zu einem Vogel. Mit dem magischen Realismus eines Gabriel Garcia Marquez wird Camila Sosa Villads Im Park der prächtigen Schwestern gerne verglichen. Die Ovid’schen Metamorphosen werden sicherlich ebenso ihren Weg in den Text gefunden haben.
trans Frau zu sein, bedeutet aber auch das Schöne, das Prächtige inmitten des Drecks zu finden und im Angesicht von Widerstand nicht das Haupt zu senken. Die Schwestern erkennen in der Prostitution durchaus einen Weg, dem Kapitalismus zu entkommen, sie sind aber zu versiert, um darin nicht auch ein notwendiges Übel zu erkennen, ein Schicksal, dem sie nur zu gern entkommen würden. Dass der Roman auch ein Manifest ist, ist eine seiner Stärken. Diese Stärke weist aber auch Schwächen auf, denn an einigen Stellen wirken die Brüche im Text zu ungewollt forciert.
Die prächtigen Schwestern sind die Vergessenen, sind ohne Namen. Als wären sie nie da gewesen. Camila Sosa Villadas Roman hat jedoch das Zeug, dass sein Name auch in vielen Jahren noch nachklingt und nicht in Vergessenheit gerät.