Die wenigsten Denker*innen unserer Zeit haben sich ihren Themen so empathisch und leidenschaftlich genähert, wie Susan Sontag es getan hat. Das gilt besonders für Illness as Metaphor und den Folgeessay AIDS and Its Metaphors. In diesen dekonstruiert sie, wie sprachliche Konventionen rund um Krankheiten wie Tuberkulose, Krebs und AIDS politische und gesellschaftliche Diskurse lenken.
Bevor Sontag 1989 AIDS and Its Metaphors als Reaktion auf diese neue Epidemie veröffentlicht, war man in der westlichen Welt lange Zeit von den Fortschritten der Medizin überzeugt. Plagen ähnliche Krankheiten waren ein Teil der Vergangenheit. AIDS hat dieser Vorstellung ein Ende bereitet.
AIDS ist vor allem von der Metapher des Krieges geprägt: Körper werden von feindlichen Viren überfallen, ein unsichtbarer Feind, der mit allen Mitteln bekämpft werden muss, bevor er die zivile Bevölkerung erreicht. Besonders Krankheiten, die man (noch) nicht versteht, eignen sich für solch offenen und totalitären Bilder. Sie schließen bestimmte Risikogruppen nicht nur aus der zivilen Bevölkerung aus, sondern erklären sie gleich mit zum Feindbild. Die Betroffenen selbst werden zum Virus, welcher den gesellschaftlichen Körper zu befallen droht. Sontags Urteil ist eindeutig: „About the metaphor, the military one, I would say (…): Give it back to the warkmakers.“
1988 gilt in der Regel als das Jahr, in dem vermehrt die ersten AIDS Texte veröffentlicht wurden. Im Angesicht der bitteren Realität galt die fiktionale Auseinandersetzung mit dieser Katastrophe für einen Großteil der Autor*innen lange als bedeutungslos. Wenig überraschend ist also, dass viele der ersten Texte autobiographisch oder autofiktional angelegt sind. Zumeist von schwulen Schriftstellern. Was jedoch überrascht, ist, wie diese Texte die Kriegsmetapher nicht nur nutzen, sondern auch zu unterwandern versuchen. Dabei rückt ein Vergleich immer wieder in den Vordergrund, der mit dem Holocaust.
Bevor man die Betroffenen zu sehr verurteilt, muss man diesen Vergleich in seinem Kontext verstehen. Der Aktivist und Autor von Reports from the Holocaust (über die AIDS Epidemie) Larry Kramer ist beispielsweise selbst Jude. Auch wurde das Pinke Dreieck, das Symbol, mit dem homosexuelle Männer in den Konzentrationslagern gekennzeichnet wurden, von Aktivisten aufgegriffen, um sich selbstbewusst und kämpferisch nach außen zu repräsentieren.
Die Kriegsmetaphern der AIDS Literatur sind keine Reaktion auf Susan Sontags AIDS and its Metaphors. Wie immer ist Sontag in ihren Beobachtungen aber so grundlegend, dass sie ein besseres Verständnis der Zeit und ihrer Sprache und damit auch der Literatur ermöglichen. Und das gilt auch für heute. Wer die Welt verstehen will, sollte unbedingt Susan Sontag lesen.