Es dauert jeden Morgen einen Moment, bis George er selbst ist. Bis ich bin und Jetzt übereinstimmen. Das Leben des 58-jährigen Literaturprofessors ist ein Leben der Routine, der Momentaufnahmen. Der Moment, der ihn jedoch immer wieder heimsucht, ist der Tod seines Partners Jim.
Von seinem Leben mit Jim wissen die wenigsten. Wir schreiben das Jahr 1964 und Homophobie und die Paranoia des Kalten Kriegs sind in der DNS Amerikas fest verankert. An keiner Stelle entschuldigt sich der Roman jedoch für seine explizite Darstellung von Homosexualität. George, der sich ebenso wenig entschuldigt, hat diesen Teil seines Lebens von der Welt ferngehalten. Aber auch so gehört Jim der Vergangenheit an und die Vergangenheit lässt sich nie wie ein Artefakt in einem Museum ausstellen. Und was soll die Vergangenheit einem Mann bedeuten, der Erfahrung keinerlei Bedeutung zuschreibt? Und doch ist der Alltag von George voller kleiner Verluste Jims. Noch ist die Vergangenheit Teil der Gegenwart.
George ist trotz allem bereit für neue Erfahrungen, sein Wille zu leben ist noch immer da. Zufällig begegnet er abends Kenny, einem seiner Studenten. Die beiden betrinken sich und beginnen einen Flirt, der Georges Willen brechen und seiner Routine ein Ende bereiten könnte.
Virgina Woolf mit Mrs. Dalloway und James Joyce mit Ulysses haben es vorgemacht und Romane geschrieben, deren Handlung innerhalb eines einzelnen Tages angesiedelt sind. Christopher Isherwoods Der Einzelgänger, erschienen 1964, steht in ihrer Tradition, ist mit seinen knapp 180 Seiten aber um einiges leichter und schneller zu lesen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern spielt Isherwoods Roman in den USA, dem Land, in das er zum Ende seines Lebens hin ausgewandert ist.
Viele kennen den Roman vor allem aufgrund seiner Verfilmung durch Tom Ford. Isherwoods Berlin-Romane wurden wohl weitaus intensiver rezipiert als Der Einzelgänger. Trotz seiner schweren Themen – Homophobie, Trauer, das Alter – ist der Roman aber kein bisschen sentimental oder schwermütig und durchweg lesenswert.